Der Aufstieg der römischen Stoa
Das verstärkte Interesse an der Stoa in der Epoche des Imperium Romanum, insbesondere in der Zeitenwende vor und nach Christi Geburt, wurde durch die politischen Verwerfungen begünstigt. Wir sprechen heute vom Imperium Romanum (Römisches Reich), aber der griechischen Kultur. Was war passiert? Die Macht der Herrscher, die zu Zeiten der römischen Republik doch noch im Zaum gehalten wurde, war undendlich gewachsen. Die Elite Roms sah die Möglichkeiten der politischen Mitgestaltung schwinden und widmete sich der Philosophie und den Künsten.
Die mittlere Stoa
Der Übergang vom griechischen zur römischen Stoizismus wird auch als mittlere Stoa bezeichnet. Bedeutend sind die Lehrer Panaitios und Poseidonios. Panaitios (gestorben 110 v. Chr.) leitet ab 129 die Athener Schule. Zuvor hat er sich lange in Rom aufgehalten, wo er auf Scipio Africanus Minor (der jüngere Scipio lebte von 185 v. Chr. bis 129 n.Chr.) traf.
Poseidonios lehrte Pompeius, Cicero und Strabon
Poseidonios von Apemea (gestorben 51 v. Chr.) wirkt die meiste Zeit seines Lebens auf der Insel Rhodos und zählt u.a. Pompeius und Marcus Tullius Cicero zu seinen Schülern. Cicero zählt zwar nicht, wie Marc Aurel, zum engen Kreis der römische Stoiker, wusste aber neben der Lehre Platons auch die Schriften von Panaitios „Über die Gemütsruhe“ und „Über die Pflichten“ zui schätzen.
Poseidonios von Apemeas Erkenntnisse über die Physik prägten das Werk des Geographen Strabon. Strabon ist die Zusammenstellung der Sieben Weltwunder zu verdanken.
Philosphie statt Politik
Dass die Philosophie wurde zum Ersatz für den Machtverlust der römischen Elite wurde, rief Kritiker auf den Plan. Der freigelassene Sklave Epiktet war von der neuen Innerlichkeit nicht begeistert und warf der epikureischen Philosophie vor, sich vor der Verantwortung für das öffentliche Leben zu drücken. Der Rückzug ins Private und die Beschränkung auf das eigene Wohl entzog dem Staat das nötige Personal, der doch auf fähige Senatoren angewiesen war. Zu Ciceros Zeit (Lebensspanne 106 v. Chr. – 43 v. Chr.) war die Beteiligung am Gemeinwesen noch selbstverständlich. Unter Augustus (geboren 63 v. Chr. als Gaius Octavius, gestorben 14 n. Chr) veränderte sich dies.
Die jüngere Stoa
Die jüngere Stoa wurde von Seneca, Musonius, Epiktet und Marc Aurel geprägt. Seneca verfasste ein Reihe von Schriften, in „Naturales Questiones“ widmet er sich der Physik, die zusammen mit Logik und Ethik die Grundpfeiler der Stoa darstellen.
Marc Aurel
Mit Marc Aurel wacht von 161-180 erstmals ein stoisch gesinnter Kaiser über das römische Imperium. Seine Selbstbetrachtungen zählen zu den letzten großen Schriften der stoischen Philosophie. Gründe, sich der Stoa zuzuwenden, hat Mark Aurel reichlich. Denn die Stoa ist die Philosophie für Krisenzeiten. Zu Marc Aurels Amtszeit wütet eine Pestepidemie, für die das römische Volk die Christen verantwortlich macht. Der stoisch gesinnte Kaiser versucht, die schlimmsten Verfolgungen zu verhindern. Einen unbestechlichen Ratgeber findet er dazu in der Philosophie. Erstaunlich für einen Kaiser ist Marc Aurels Bekenntnis zur kosmopolitischen Weltsicht, hier unterscheidet er sich wenig vom Weltbürger Diogenes:
„Meine Natur aber ist eine vernünftige und für das Gemeinwohl bestimmte; meine Stadt und mein Vaterland aber ist, sofern ich Antonin heiße, Rom, sofern ich Mensch bin, die Welt.“
Marc Aurel
Boethius, der letzte Römer
Als einer der letzten Vertreter der römischen Stoa gilt Boethius. In seiner Schrift über den „Trost der Philosophie“, verfasst in Erwartung seiner Hinrichtung, verweist auf auf das stoische Ertragen des Schicksals bei seinen „Vorgängern“ Sokrates und Seneca.