In einem Garten vor Athen beginnt gegen Ende des 3. Jahrhunderts vor Christus die große Zeit der Epikureischen Schule. Epikurs Garten befindet sich nordwestlich der Akropolis, nicht weit entfernt von der Akademie des Platon. Die beiden philosophischen Treffpunkte liegen damals außerhalb der Stadt, sind aber doch für die Bevölkerung der Metropole Athen gut erreichbar.
Das Streben nach Glück im Garten des Epikur
Epikur lebte seine Philosophie. Das Streben nach Glück sollte auch praktiziert werden. Bei der Auswahl der Schüler zeigt sich Epikur unvoreingenommen. Ein Zeugnis davon findet man hierzu auf Raffaels Gemälde „Die Schule von Athen“. Denn bei Epikur sind – im Gegensatz zu den Darstellungen der anderen Philosophen – Menschen jeden Alters versammelt. Man kann Epikur daher aus heutiger Perspektive auch als Vordenker allere Mehr-Generationen-Projekte bezeichnen.
Lust als Ziel des Handelns
Epikurs Garten stand im Verdacht, eher dem Eros denn der Philosophie verpflichtet zu sein. Ursache ist die Missinterpretation seiner Lehre von der Lust: Nach Epikur ist die Lust – wie später auch bei Sigmund Freud – das Ziel jeden Handelns. Dabei ging es ihm aber nicht um Ausschweifungen und das, was wir heute als „das pralle Leben“ verstehen, sondern um die kleinen Freuden des Tages. Exzesse gleiten aus stoischer Perspektive letztlich ins Elend ab. Lust sollte nach Epikur immer mit dem richtigen Maß verbunden sein.
Askese und Lustgewinn
Zur Philosophie Epikurs gehört neben der Lust auch die Askese. Begierden versucht der Stoiker zu überwinden, denn sie sind die Quellen von Furcht und Schmerz. Dabei bedient sich Epikur, von dessen Fragmenten nur wenige noch vorhanden sind, einer bildhaften und allgemein verständlichen Sprache:
Epikur
Den Menschen nützt der naturwidrige Reichtum ebenso wenig wie das Nachfüllen von Wasser in ein schon gefülltes Gefäß. Denn offenbar fließt beides nach außen wieder ab.
Epikurs Ansatz: Nach der Enthaltsamkeit, dem Reduzieren von Ansprüchen, schmeckt der durchschnittlich gedeckte Teller wieder richtig lecker. Die Natur ist für Epikur nichts, was vom Menschen beherrscht werden muss, sondern etwas sich Ausgleichendes. Die Natur hat für den Menschen alles, was er zu seinem Glück braucht:
Epikur
Wenn du nach der Natur lebst, wirst du niemals arm. Wenn du nach den Meinungen lebst, wirst du niemals reich“. (…) „Wer der Natur folgt und nicht den leeren Meinungen, der genügt in allen Dingen sich selbst. Denn im Hinblick auf das Genügende ist jeder Besitz ein Reichtum, im Hinblick auf die unbegrenzten Begierden ist aber auch der grösste Reichtum Armut.
Die Götter haben uns verlassen
Die Götter spielen in Epikurs Philosophie eine neutrale Rolle. Sie existieren zwar, aber sie sorgen sich wenig um die Menschen. Die Furcht vor den Göttern muss nach Epikur überwunden werden, steht sie doch ebenso wie die Furcht vor dem Tod oder die Unklarheit über das Wesen von Lust und Unlust dem Glück im Wege. Gegen die Furcht vor den Göttern bietet Epikur ein Gegenmittel: die Welt nach eigenen Vorstellungen interpretieren.
Probleme diskutieren
Epikur verfasste und sammelte Schriften zur Umsetzung der Philosophie im eigenen Leben. Epikur empfiehlt dabei Dinge, die heute zum Handwerkszeug der humanistisch orientierten Psychotherapie zählen: Probleme sollen nicht heruntergeschluckt, sondern mit Freunden diskutiert werden, Selbstanalyse und Selbstreflexion zählen zum Inventar der Epikureischen Methodik. Die Freundschaft zu den Mitmenschen ist für ein glückliches Leben Voraussetzung. Aus dem kleinen Freundeskreis des Gartens erwächst die Fähigkeit zur Freundschaft mit der großen Welt.
500 Jahre Gartenschule
Noch lange nach Epikurs Tod wurde die Schule des Gartes weiter betrieben, belegbar sind etwa 500 Jahre. Dies bezeugen die Auseinandersetzungen zwischen den Epikureern und den christlichen Kirchengründern. Die Christen bekämpften die Stoa als eine rivalisierende Weltanschauung. In den Archiven des Vatikans hielt man die epikureische Lehrschriften unter der Bezeichnung „Gnomologium Vaticanum“ lange unter Verschluss, zeitweise galten sie sogar als verschollen. Mit den Jahrhunderten entspannte sich das Verhältnis zwischen Stoa und Christentum – bis hin zu einer Fusion der philosophischen und theologischen Weltanschauungen als christliche Stoa.