Sokrates und Xanthippe

chnell wurde
Sokrates über die Grenzen der Stadt hinaus
berühmt. Ein
Schüler von ihm war Euklid von Megara (dieser trägt
mit dem
Mathematiker Euklid von Alexandria nur den Namen gemein). Nun waren die
Athener mit Megara verfeindet und hatten es bei Todesstrafe den
Megarensern verboten, ihr Gebiet zu betreten. Doch Euklid tarnte sich
mit Frauenkleidern, um seinen Lehrer besuchen zu können.
Sokrates
lebte äußerlich in Armut, denn anders als die
Sophisten wollte er sich
nichts für seine Tätigkeit bezahlen lassen. Seiner
Frau Xanthippe hatte mit
dieser asketische Lebensweise wohl einige Probleme. Xenophon
berichtet in seinen Tischgesprächen, was Sokrates auf die
Frage erwidert
habe, warum er sich eine so wenig umgängliche Frau genommen
hat:
"
Wer mit Pferden umgehen
lernen will, der wählt sich zu seiner Übung
kein geduldiges Lasttier, sondern ein mutiges Roß, das schwer
zu
bändigen ist. Ich, der ich mit Menschen umgehen lernen will,
habe mir
aus eben der Ursache eine Hausfrau gewählt, die
unverträglich ist, um
die verschiedene Laune der Menschen desto besser ertragen zu lernen".
Sokrates
hatte aber selbst allerlei dazu getan, um den häuslichen
Frieden zu
gefährden: Denn er betrachtete es als höhere
Weihe, sich der
Philosophie zu widmen und auf den schnöden
Gelderwerb zu
verzichten. Daher lebte die Familie von Almosen. Dass dennoch eine
innige Liebe zwischen den beiden bestand, bezeugt uns Platon in seiner
Apologie des Sokrates:
"Als sich Sokrates
enschließt, den
Schierlingsbecher zu trinken, fällt Xantippe in
Bestürzung und Trauer. Immer
wieder unterbrach er seine Tätigkeiten, um für Athen
zu kämpfen."

er
Feldherr Laches spricht im gleichnamigen Dialog Platons nach einer
Niederlage gegen die Böotier voller Bewunderung:
"
Hätte
jedermann seine Pflicht so getan, wie Sokrates, so
wäre der Tag gewiß nicht unglücklich
für
uns gewesen."
Laches spielte dabei nicht nur auf Sokrates´ Mut im Kampf an,
sondern ebenso auf seine Umsicht in der Niederlage. Auf dem
Rückzug fand Sokrates den verwundeten Xenophon und brachte ihn
auf seinen Schultern tragend in Sicherheit. Keine leichte
Aufgabe für Sokrates, der von seiner Statur her nicht eben
athletisch
gebaut war.

m
Theater bevorzugte Sokrates die Stücke des Tragikers
Euripides. Als er selbst in einem Stück von Euripides
verhöhnt wurde, trat er als
Gegenmaßnahme während
der Aufführung aus der Masse hervor und stellte sich
bis zum
Ende an einen exponierten Ort. Den Schauspielern stahl er
damit die Aufmerksamkeit des Publikums.
Nicht jeder war dem Weisen wohl gesonnen, und im Medium seiner Zeit,
dem Theater, war er öfters unfreiwillig
präsent. Aristophanes stand in Verdacht, Sokrates in seinen
Stück "Die
Wolken" auf Ansinnen der Sophisten lächerlich gemacht zu
haben. 24
Jahre nach der Uraufführung schließlich wurde
Sokrates zum
Tode verurteilt, sicher nicht im Sinne des Dichters
Aristophanes.
Ein guter Freund war Alkibiades, ein junger Mann mit schönem
Äußerem, feurigem Temperament und vielen Talenten.
Auch
diese Freundschaft musste später dafür herhalten, die
Anklage
gegen Sokrates zu untermauern, wurde er doch, da er den Umgang mit
Jüngeren pflegte, zum "Verderber der Jugend".
Sokrates vor Gericht

nliegen des Sokrates
war es, die
Menschen täglich besser zu machen. Politik war
dabei zwar nicht seine ursprüngliche Sache, und doch griff er
sehr
vehement in das öffentliche Geschehen ein. Als die Athener bei
den Arginusinischen Inseln die Spartaner besiegt
hatten, kam ein Unwetter auf und hinderte die Befehlshaber der
siegreichen Athener daran, Schiffbrüchige zu retten. Sokrates
hatte bei einem Prozess um dieses Ereignis den
Vorsitz
und sah sich einer aufgepeitschten Menge gegenüber, die die
Strategen wegen unterlassener Hilfeleistung zum Tode verurteilen
wollte. Dabei stellte er sich gegen die
Eiferer und alle Drohungen, die er von der Volksmenge erhielt.
Genützt hat es den Verurteilten freilich nichts, denn der
Eifer
behielt die Oberhand. Sokrates musste zusehen, wie sich die Republik
selbst schadete - aber das Ergebnis eines rechtsstaatlichen Prozesses
war er
trotzdem bereit
anzuerkennen, sei es nicht nur gegen die eigene Überzeugung
sondern sogar gegen die eigene Person gerichtet.
399. v. Chr. wird Sokrates wird
angeklagt, die Götter der Polis (Stadtstaat) nicht
anzuerkennen und die Jugend zu verderben. Er wird zum Tod durch den
Schierlingsbecher verurteilt. Fluchtpläne seiner Freunde
schlägt er aus und nach einem letzten Beisammensein und
Philosophieren trinkt er den Giftbecher.
Sokrates trinkt den Becher

okrates nahm Abschied von den Freunden und ging in ein Gemach, um zu baden, und Kriton begleitete ihn;
uns aber hieß er dableiben. Wir blieben also und redeten untereinander über das Gesagte und
überdachten es wieder;
dann aber auch wieder über das Unglück klagend, das uns nun getroffen hatte, ganz darüber einig,
dass wir nun,
gleichsam des Vaters beraubt, als Waisen das übrige Leben hinbringen würden. Nachdem er nun gebadet
und man seine Kinder zu ihm gebracht hatte - er hatte nämlich zwei
kleine Söhnlein und einen größern-
und die ihm befreundeten Frauen gekommen waren, sprach er mit ihnen in Kritons Beisein,
und nachdem er ihnen aufgetragen, was er wollte, hieß er die Weiber und Kinder wieder gehen;
er aber kam zu uns. Und es war schon nahe dem Untergange der Sonne; denn er war lange drinnen geblieben.
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Hinweis: Der Text folgt der Schleiermacher-Uebersetzung von Platons "Apologie des Sokrates".
Der Tod des Sokrates

Der Tod des Sokrates, Ausschnitt aus der
Darstellung
von Jacques-Louis David 1787
Tod des Sokrates

nd als er aus dem Bade gekommen, setzte er sich und hatte noch nicht viel seitdem gesprochen,
da kam der Diener der Elfmänner, stellte sich zu ihm und sagte: "Sokrates, über dich werde
ich mich nicht zu beklagen haben wie über andere, dass sie mir böse sind und mir fluchen, wenn ich
ihnen ansage, das Gift zu trinken auf Befehl der Oberen. Dich aber habe ich auch sonst
schon in dieser Zeit als den Edelsten, Sanftmütigsten und Trefflichsten von allen erkannt,
die sich jemals hier befunden haben, und auch jetzt weiß ich sicher, dass du mir nicht böse sein wirst;
denn du weißt wohl, wer schuld daran ist. Nun also, du weißt ja, was ich dir anzusagen gekommen bin.
Lebe wohl und suche so leicht als möglich zu tragen, was nicht zu ändern ist!" Da weinte er,
wendete sich um und ging. Darauf sah Sokrates ihm nach und sprach: "Auch du lebe wohl, und auch wir wollen so tun!"
Und zu uns sagte er: "Wie fein doch dieser Mensch ist! So ist er die ganze Zeit mit mir umgegangen,
hat sich bisweilen mit mir unterredet und war der beste Mensch; und nun wie aufrichtig beweint er mich!
Aber wohlan denn, Kriton, lasst uns ihm gehorchen, und bringe einer den Gifttrank,
wenn er schon gerieben ist; wo nicht, so soll ihn jener reiben!"
Kriton. "Aber mich dünkt, Sokrates, die Sonne scheint noch an die Berge und ist noch nicht untergegangen.
Und ich weiß, daß auch andere erst ganz spät getrunken haben, nachdem es ihnen angesagt worden,
und sie haben noch gut gegessen und getrunken, ja einige haben gar noch ihre Freunde zu sich kommen lassen,
nach denen sie Verlangen hatten."
Sokrates. "Ganz recht, lieber Kriton, hatten jene, so zu tun, wie du sagst; denn sie meinten,
etwas zu gewinnen, wenn sie so täten; und ganz recht habe auch ich, nicht so zu tun, — denn ich meine,
nichts zu gewinnen, wenn ich um ein weniges später trinke, als nur, dass ich mir selbst lächerlich vorkommen
würde, wenn ich so am Leben klebte und sparen wollte, wo nichts mehr ist. Also geh, folge mir
und tue nichts anderes!"

arauf winkte denn Kriton dem Knaben, der ihm zunächst stand, und der Knabe ging hinaus,
und nachdem er eine ganze Zeit weggeblieben war, führte er endlich den Diener herein,
der ihm den Trank reichen sollte, den er schon zubereitet im Becher brachte. - Als nun Sokrates
den Menschen sah, sprach er: "Nun, mein Bester, du verstehst es ja, wie muss man es machen?" -
"Nichts weiter", sagte jener, "als, wenn du getrunken hast, herumgehen,
so lange bis dir die Schenkel schwer werden, und dann dich niederlegen, dann wird es schon wirken."
Damit reichte er dem Sokrates den Becher, und dieser nahm ihn, und ganz getrost, ohne im geringsten zu
zittern oder Farbe und Gesichtszüge zu verändern, sondern, wie er sonst pflegte,
ganz gerade den Menschen ansehend,
fragte er ihn: "Was meinst du, darf man von diesem Trank jemandem eine Spende weihen?
Darf man eine machen oder nicht?" - "Wir bereiten eben nur so viel, Sokrates", sagte jener,
"als wir glauben, dass hinreichend sein wird." - "Ich verstehe", sagte Sokrates. "Beten
aber darf man doch zu den Göttern, und man muss es ja, dass die Wanderung von
hier dorthin glücklich sein möge, weshalb denn auch ich hiermit bete. Und so möge es geschehen!"

nd wie er dies gesagt, setzte er an, und ganz frisch und unverdrossen trank er aus. Und von uns waren
die meisten bis dahin ziemlich imstande gewesen, sich zu beherrschen, dass sie nicht weinten; als wir aber sahen,
dass er trank und schon getrunken hatte, da - nicht mehr. Und auch mir selbst flössen die Tränen mit Gewalt,
und nicht nur tropfenweise, so dass ich mich verhüllen musste und mich ausweinen, nicht über ihn jedoch,
sondern über mein eigenes Schicksal, dass ich nun eines solchen Freundes beraubt werden sollte.
Kriton war noch eher als ich aufgestanden, weil er nicht vermochte, die Tränen zurückzuhalten.
Apollodoros aber hatte schon früher nicht aufgehört zu weinen, und nun brach er völlig aus,
weinend und unwillig sich gebärdend, und es war keiner von allen Anwesenden, den er nicht durch sein
Weinen erschüttert hätte, außer Sokrates selbst; der aber sagte: „Was macht ihr doch, ihr wunderlichen Leute!
Ich habe vorzüglich deswegen die Weiber weggeschickt, damit sie dergleichen nicht tun möchten; denn ich habe
immer gehört, man müsse unter guten Zeichen sterben. Also haltet euch still und standhaft!"
Als wir das hörten,
schämten wir uns und hielten inne mit Weinen. Er aber ging umher, und als er merkte, dass ihm die Schenkel
schwer wurden, legte er sich gerade hin auf den Rücken; denn so halte es ihn jener Mensch geheißen.
Darauf berührte ihn dieser, der ihm das Gift gegeben hatte, von Zeit zu Zeit und untersuchte seine
Füße und Schenkel. Dann drückte er ihm den Fuß stark und fragte, ob er es fühle;
er sagte:"Nein."

nd darauf die Knie, und so ging er immer höher hinauf und zeigte uns, wie er allmählich erkaltete und
erstarrte. Darauf berührte er ihn noch einmal und sagte, wenn es ihm bis ans Herz komme, dann werde er tot sein.
Nun war ihm schon fast alles um den Unterleib her kalt, da enthüllte er sich noch einmal - denn er lag
verhüllt und sagte seine letzten Worte:
"Oh Kriton, wir sind dem Asklepios einen Hahn schuldig,
entrichtet ihm den und versäumt es ja nicht!" . "Das soll geschehen", sagte Kriton, "siehe
aber zu, ob du noch sonst etwas zu sagen hast." Als Kriton dies fragte, antwortete er aber nicht mehr,
sondern bald darauf zuckte er, und der Diener deckte ihn auf: da waren seine Augen gebrochen.
Als Kriton das sah, schloss er ihm den Mund und die Augen.