o erwirb,
heißt es jetzt, daß wir auch etwas
haben! Wenn
ich erwerben kann ohne Verletzung des Ehrgefühls, der Treue
und
der großherzigen Gesinnung, so zeige mir den Weg, und ich
will es
thun. Wenn ihr mir aber zumuthet, ich soll die Güter, die mir
selbst gehören, verlieren, damit ihr erlanget, was kein Gut
ist,
so erkennet doch, wie unbillig ihr seid, und wie unverständig.
Was
wollet ihr denn lieber? Geld, oder einen treuen und ehrliebenden
Freund? So verhelfet mir doch lieber zu dem letzteren, und mutet mir
nicht zu, etwas zu tun, wodurch ich eben dies verlieren
müßte.
Aber das Vaterland, sagt man, wird, wenigstens von mir, keine
Unterstützung haben. Ich frage: wie so keine
Unterstützung?
Es wird keine Säulengänge und keine Bäder
durch dich
bekommen. Und was liegt daran? Bekommt es doch auch keine Schuhe vom
Schmied, und keine Waffen vom Schuster. Es genügt aber, wenn
jeder
sein Werk recht tut. Wenn du ihm einen andern zu einem treuen und
ehrenhaften Bürger heranbildest, hast du ihm dann nichts
genützt? Ja doch! Also wärest doch auch du nicht so
ganz ohne
Nutzen für dasselbe!
Anmerkung: Das
Staatsverständnis der Stoiker ist sehr pragmatischer Natur.
Der Staat ist für Epiktet
weder gleichgültig noch ein
Heilsbringer, er beschränkt sich auf seine Rolle als
notwendiger Ordnungsrahmen.
Welche Stellung werde ich nun im Staate einnehmen? so fragt man.
Diejenige, welche du einnehmen kannst, ohne daß du
aufhören
mußt, beides, ein treuer und ein ehrliebender Mensch zu sein.
Wirfst du aber dieses von dir, um dem Staate zu nützen,
welchen
Nutzen hätte er wohl von dir, wenn du ehr- und treulos
geworden
wärest?
inem andern ist beim
Gastmahl, oder beim Grüßen,
oder beim
Herbeiziehen zu einer Beratung mehr Ehre widerfahren, als dir? Wenn
dies ein Gut ist, so sollst du dich freuen, dass jener andere es
erlangt hat. Ist es aber ein Übel, so klage nicht, daß es
dich
nicht betroffen hat. Bedenke übrigens, dass du nicht denselben
Lohn ansprechen kannst, wenn du nicht dasselbe thust, um die Dinge zu
erlangen, die nicht in unsrer Gewalt sind.
Denn wie kann derjenige, welcher einem andern keine Aufwartung macht,
so viel bekommen, wie der, welcher sie macht? oder der, welcher nicht
im Gefolge mitgeht, so viel wie der, welcher mitgeht, und welcher nicht
lobt, so viel wie der, welcher lobt? Du bist also ungerecht und
ungenügsam, wenn du, ohne den Preis zu bezahlen, um welchen
man
jene Dinge verkauft, sie umsonst erlangen willst.
Wie teuer verkauft man den Lattich? Ungefähr um einen
Groschen.
Wenn nun einer den Groschen bezahlt, und Lattich dafür
bekommt, du
aber bezahlst nichts, und bekommst nichts, so glaube nicht,
daß
du weniger habest, als der, welcher etwas bekommen hat. Denn wie jener
den Lattich, so hast du den Groschen, den du nicht ausgegeben hast.
Ganz eben so auch hier. Es hat dich einer nicht zur Mahlzeit
eingeladen. Du hast eben dem Wirt den Preis nicht bezahlt, um den er
sein Gastmahl verkauft. Er verkauft es aber für Lob; er
verkauft
es für Aufwartung. Bezahle also den Preis, um den es feil ist,
wenn es dir taugt. Willst du ihn aber nicht bezahlen, und doch jenes
erlangen, so bist du unersättlich und unverständig.
Hast du nun nichts zum Ersatz für das Gastmahl? Das hast du,
daß du den nicht zu loben brauchtest, welchen du nicht loben
wolltest, und daß du dir nichts gefallen lassen
mußtest von
seinen Türstehern.
er Wille der Natur
läßt sich erkennen aus dem,
worüber
keine Meinungsverschiedenheit unter uns herrscht. Z.B. wenn der Sklave
eines andern ein Trinkglas zerbricht, so sind wir gleich bereit zu
sagen: so geht es eben. Wisse nun, daß du, wenn das deinige
ebenfalls zerbricht, dich ebenso betragen mußt, wie wenn das
des
andern zerbricht.
Hievon mache nun die Anwendung auch auf Wichtigeres. Eines anderen Kind
oder Weib ist gestorben. Da ist keiner, der nicht spräche:
»So geht's in der Welt.« Stirbt aber einem sein
eigenes,
gleich ruft er: »Oh weh mir! Ich Armer!« Man sollte
aber
sich erinnern, welchen Eindruck es auf uns macht, wenn wir dasselbe von
einem andern hören.
Gleichwie ein Ziel nicht zum Verfehlen aufgesteckt wird, so auch nicht
die Natur des Übels in der Welt.
Wenn jemand deinen Körper jedem, der dir begegnet,
preisgäbe,
so würdest du es übel aufnehmen. Daß aber
du selbst
deinen Geist dem nächsten besten preisgibst, so daß
er in
Aufregung und Verwirrung geräth, wenn man dich schilt,
schämst du dich dessen nicht?
Bei allem, was du thun willst, achte auf das, was vorangeht, und was
nachfolgt, und so mache dich daran. Wo aber nicht, so wirst du wohl
anfangs lustig daran gehen, weil du nicht bedacht hast, was nachkommt;
hernach aber, wenn sich etliche Schwierigkeiten zeigen, wirst du mit
Schanden davon gehen.
u willst in Olympia
siegen? Auch ich, bei den Göttern! denn
das
bringt Ehre. Aber achte auf das, was vorangeht, und was nachfolgt; dann
greife das Werk an. Du mußt geordnet leben, nach Vorschrift
essen, der Leckerbissen dich enthalten, dich üben nach fester
Regel, zur vorgeschriebenen Stunde, in Hitze und Kälte; nichts
Kaltes trinken, keinen Wein zur beliebigen Zeit; kurz, du
mußt
dich dem Lehrmeister wie einem Arzt übergeben. Sodann beim
Kampfe
selbst musst du dich mit Sand überschütten lassen.
Möglich ist es auch, daß du dir die Hand verzerrst,
den
Knöchel verrenkst, und vielen Staub schluckst;
möglich,
daß du durchgeprügelt, und nach allem diesem noch
besiegt
wirst.
Das überlege wohl, und wenn du dann noch Lust hast, so gehe
zum
Kampf. Wo nicht, so wirst du dich wie die Kinder betragen, welche bald
die Rolle eines Ringers spielen, bald die eines Fechters, das einemal
Trompeten blasen, dann wieder ein Schauspiel aufführen. So
auch
du! Bald bist du ein Athlet, bald ein Fechter, dann ein Rhetor, dann
ein Philosoph, aber nichts von ganzer Seele; sondern wie ein Affe ahmst
du jeden Auftritt, den du siehst, nach; und bald gefällt dir
dies,
bald das. Denn du bist nicht mit Überlegung an eine Sache
gegangen, und nicht mit Umsicht, sondern auf Geratewohl, und mit
frostigem Interesse.
So wollen manche Leute, wenn Sie einen Philosophen gesehen haben, oder
wenn sie jemand reden hörten, wie Euphrates redet (und doch:
wer
kann so reden, wie er?), selbst auch Philosophen sein.
O Mensch, zuerst überlege, wie die Sache beschaffen ist; dann
prüfe auch deine eigene Natur, ob dir die Last nicht zu schwer
ist. Willst du ein Pentathlete sein, oder nur ein Ringer? Betrachte
deine Arme, deine Schenkel, prüfe deine Hüften; denn
der eine
ist von Natur zu diesem, der andere zu anderem bestimmt.
Glaubst du, du könnest, während du solche Dinge
treibst,
ebensoviel essen, ebensoviel trinken, eben solche Begierden haben, und
ebenso missvergnügt sein? Wachen muss man, und sich
anstrengen,
sich von den Hausgenossen zurückziehen, sich von einem Sklaven
verachten, und von den Vorübergehenden auslachen lassen, und
in
allem zurückstehen, in der Achtung, im Amt, im Gericht und in
jedem Geschäftchen.
Das überlege dir, ob du um diesen Preis Gelassenheit, Freiheit
und
Gemütsruhe eintauschen willst; wo aber nicht, so verzichte
darauf.
Sei du nicht, wie die Kinder, jetzt ein Philosoph, hernach ein
Zolleinnehmer, sodann ein Rhetor, und zuletzt ein kaiserlicher
Prokurator. Diese Dinge passen nicht zusammen. Ein Mensch aus einem
Guß mußt du sein, entweder ein guter, oder ein
schlechter.
Entweder mußt du den herrschenden Theil deiner selbst
ausbilden,
oder die äußere Seite, entweder auf das Innere deine
Kunst
verwenden, oder auf das Äußere; d.h. entweder die
Stellung
eines
Philosophen, oder die eines gewöhnlichen Menschen einnehmen.
Die Pflichten sind so ziemlich überall den
Verhältnissen
angemessen. Es ist einer Vater: Die Pflicht gebietet, sein zu pflegen,
ihm in allem nachzugeben, sein Schimpfen, seine Schläge
geduldig
hinzunehmen.
Aber der Vater ist ein schlechter Mensch! Knüpfen dich denn
die
Bande der Natur an einen guten Vater? Nein, sondern an einen Vater.
Dein Bruder handelt ungerecht. Behalte Obigem zufolge dein
Verhältnis zu ihm im Auge und sieh nicht auf das, was jener
thut,
sondern wie dein Grundsatz beschaffen sein muß, wenn du
naturgemäß handeln willst. Denn ein anderer kann dir
nicht
schaden, wenn du nicht willst. Dann aber wirst du im Schaden sein, wenn
du meinst, du werdest beschädigt.
Ebenso kannst du nun auch vom Nachbar, vom Bürger, vom
Feldherrn
herausfinden, was (für ihn) Pflicht ist, wenn du dich
gewöhnst, die Verhältnisse zu
berücksichtigen.
ie Hauptsache in der
Frömmigkeit, mußt du wissen,
ist
dieß, daß man richtige Vorstellungen von den
Göttern
habe, nämlich, daß es Götter gebe, und
daß
sie alles
gut und gerecht regieren, daß sie dir die Bestimmung gegeben
haben, ihnen zu gehorchen, und dich in alles, was geschieht, zu
schicken, und willig zu folgen, weil es ja in bester Absicht geschieht.
So wirst du niemals die Götter tadeln, noch sie beschuldigen,
als
bekümmern sie sich nichts um dich.
Anmerkung: Die
stoische Theologie beginnt mit der Emanzipation vom Bild der grausamen
Götter des Olymp, die unter den Menschen Furcht verbreiteten.
Anders aber kann dieß gar nicht geschehen, als bis du die
Begriffe Gut oder Übel von denjenigen Dingen lostrennst, welche nicht
in unserer Gewalt sind, und sie ausschließlich in dasjenige
verlegst, was in unserer Gewalt ist. Denn sobald du etwas von den
ersteren für ein Gut oder für ein Uebel ansiehst,
kann es
nicht anders sein, als daß du diejenigen anklagst und
hassest,
welche schuld daran sind, daß dir etwas entgeht, was du dir
wünschest, oder daß dir etwas widerfährt,
was du nicht
wünschest.
Denn es ist allem, was da lebt, angeboren, das, was ihm
schädlich
vorkommt, sammt seiner Ursache zu fliehen und zu meiden, das
Nützliche aber sammt seiner Ursache zu begehren und zu
bewundern.
Unmöglich kann einer, der im Schaden zu sein glaubt, an dem,
was
ihm schädlich scheint, eine Freude haben, wie es auch
unmöglich ist, sich zu freuen über den Schaden selbst.
Deshalb wird selbst ein Vater von seinem Sohne geschmäht, wenn
er
seinem Kinde nichts von den Dingen mittheilt, die man für
Güter hält. Auch den Polynikes und Eteokles entzweite
eben
das, daß sie die Alleinherrschaft für etwas Gutes
hielten.
Aus demselben Grunde flucht der Bauer über die
Götter, aus
demselben der Schiffer, aus demselben der Kaufmann, aus demselben
diejenigen, welche Weib und Kind verlieren. Denn so weit ihr Nutzen
reicht, reicht auch ihre Frömmigkeit. Wer also sich
befleißigt, nur das zu begehren und zu meiden, was er soll,
der
befleißigt sich eben damit auch der Frömmigkeit.
Pflicht ist es übrigens in jedem Fall, Trankopfer und
Brandopfer
und Erstlingsgaben darzubringen nach väterlicher Weise, mit
reinem
Sinn und nicht gedankenlos, auch nicht gleichgiltig; weder
kärglich, noch auch über Vermögen.
enn du zum Orakel
gehst, so erinnere dich, dass du nicht
weißt,
was geschehen wird, sondern dass du kommst, um es von dem Seher zu
erfahren. Wie aber eine Sache beschaffen ist, das weißt du
schon
beim Kommen, wenn du ein Philosoph bist. Ist es nämlich etwas
von den
Dingen, die nicht in unsrer Gewalt sind, so kann es schlechterdings
weder ein Gut, noch ein Übel sein.
Du sollst also zum Seher weder Begierde, noch Widerwillen mitbringen.
Auch gehe nicht mit Angst zu ihm, sondern als einer, der
weiß,
daß alles, was da kommen mag, gleichgültig ist, und
nichts,
das
dich anginge. Wie es aber auch sein mag, man wird einen guten Gebrauch
davon machen können; und das kann dir niemand wehren.
Gutes Mutes also, wie vertrauen Ratgebern, nahe dich den
Göttern;
und im übrigen, wenn du Rat empfangen hast, so erinnere dich,
wer
die sind, die du zu Berathern angenommen hast, und wem du ungehorsam
wirst, wenn du nicht folgst.
Gehe aber, nach dem Rat des Sokrates,
nur wegen solcher Dinge zum
Orakel, die nach allem Betracht eine Beziehung auf die Zukunft haben,
und bei welchen weder die Vernunft, noch ein anderes Mittel eine
Möglichkeit darbietet, zu erkennen, was bevorsteht.
Wenn du also einem Freund, oder dem Vaterland in der Gefahr beistehen
sollst, so frage nicht den Seher, ob du ihnen beistehen sollst. Denn
wenn dir auch der Seher sagt, daß die Opferzeichen schlimm
ausgefallen seien, so bedeutet dieß zwar augenscheinlich den
Tod,
oder Verstümmelung eines Glieds an unserem Leibe, oder
Verbannung;
aber die Vernunft gebietet trotz alledem, dem Freunde beizustehen, und
mit dem Vaterlande die Gefahr zu theilen.
Folge also dem höheren Seher, dem pythischen Gott, welcher den
aus
dem Tempel hinauswarf, der seinem Freunde nicht zu Hilfe kam, als man
ihr mordete.
Stelle dir ein Muster und Vorbild auf, und lebe ihm nach, sowohl wenn
du allein bist, als wenn du unter die Leute kommst.
Auch schweige man meistens oder spreche nur, so viel nöthig,
und
mit wenigen Worten. Bisweilen aber, wenn die Umstände zum
Reden
auffordern, sollst du reden; aber nicht von jenen alltäglichen
Dingen, nicht von Fechterspielen, nicht von Pferderennen, nicht von den
Athleten, nicht von Essen und Trinken, wovon man allerorten redet,
besonders aber nicht von Personen, weder tadelnd, noch lobend, noch
vergleichend.
Wenn es nun in deiner Macht steht, so lenke durch deine Reden auch die
der Mitanwesenden auf das Schickliche. Stehst du aber zufällig
unter Fremden allein, so schweige.
Lache nicht viel, und nicht über vieles, und nicht ausgelassen.
Den Eid verweigere, wenn es angeht, ganz; wo aber nicht, doch so viel
als möglich.
Gastmähler bei Fremden und bei ungebildeten Leuten schlage
aus.
Kommt aber der Fall einmal vor, so mache es dir zum Gesetz, wohl
aufzumerken, daß du nicht unversehens in Gemeinheit
versinkest.
Denn wisse: wenn einer einen unflätigen Menschen zum Kameraden
hat, so muß er, der sich mit ihm einläßt,
ebenfalls
besudelt werden, auch wenn er selbst vielleicht rein ist.
In Bezug auf das Leibliche versieh dich nicht weiter, als mit dem
schlechthin notwendigen Bedarf an Speise, Trank, Kleidung, Obdach,
Dienerschaft. Was aber zum Gepränge, oder zum Luxus
gehört,
schneide völlig ab.
In Bezug auf geschlechtlichen Umgang halte dich vor der Ehe so keusch
als möglich. Wer sich aber damit befassen will,
genieße ihn,
wie es gesetzlich erlaubt ist. Du aber sei nicht unbillig gegen die,
welche Gebrauch davon machen, und verdamme sie nicht. Auch
führe
es nicht bei jeder Gelegenheit an, daß du dich dessen
enthaltest.
Wenn dir jemand hinterbringt, daß der oder jener Schlimmes
von
dir rede, so verteidige dich nicht gegen das Gesagte, sondern antworte:
Der wußte also nichts von meinen übrigen Fehlern,
sonst
würde er wohl nicht bloß von diesen gesprochen
haben.
Oft in das Theater zu gehen, ist nicht notwendig. Kommst du aber
zufällig einmal dahin, so lass niemand, als dich selbst,
merken,
daß du innerlich Anteil nimmst, d.h. wünsche,
daß nur
das geschehe, was geschieht, und nur der siege, welcher siegt; denn auf
diese Weise wird dir alles nach Wunsch gehen. Des Schreiens aber und
Beifall-Zulachens, oder häufiger Mitbewegungen enthalte dich
gänzlich. Nach dem Weggehen unterhalte dich nicht viel
über
das Vorgekommene, so weit es nicht zu deiner Besserung
beiträgt.
Denn hierdurch gewönne es den Anschein, als hättest du das
Schauspiel bewundert.